Hallo Bernd,
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es liegt mir fern, irgendwelche Schuldzuweisungen oder Vorurteile zu schüren, aber ...
Was ich beschrieben habe ist die real erlebte Situation und keine Propaganda. Unbestritten - die DDR hatte ein hervorragendes Bildungs- und Erziehungssystem, Jedermann hatte Zugang zu der höchsten ihm möglichen Bildung (vorausgesetzt er/sie oder die Eltern waren nicht "aufgefallen") - aber ... Ich zitiere meine Frau - aufgewachsen in einer "normalen" Familie nahe Magdeburg "im Rückblick ist es erschreckend, wie sehr die Angst und Einschränkungen unser Leben bestimmt haben" - es ging hier Z.B. um den Austausch über gesehenes Westfernsehen oder Witze über die Regierenden. "Wenn das bekannt wird, verlieren wir unsere Arbeit, du fliegst aus der Oberschule" etc. - das war im "Westen" definitiv nicht der Fall, auch wenn viele Lehrer noch "alte Nazies" waren!! und Erziehungsmethoden wie beschrieben üblich waren!! - ich bin an manchen Tagen mit Zeitung in der kurzen Lederhose zur Schule!! - aber auch Abends zu Hause war die nützlich!!
Ich will nicht verhehlen - wer so groß geworden ist, dem fällt vieles nicht auf, geschweige, dass etwas vermisst wird - was man nicht kennt, kann nicht vermisst werden. Was "immer so passiert" ist eben normal, auch wenn der Kaplan den Messdiener missbraucht!! - man denkt nicht weiter drüber nach - erst im Rückblick wird die Tragweite deutlich. Auch Reisefreiheit - ja, es konnte verreist werden, solange der besuchte Staat dem richtigen Sytem angehört, aber - z.B. Bulgarien, da waren die DDR Bürger Besucher 2. oder gar 3. Klasse - sie hatten die falsche Währung und so waren Einschränkungen vorprogrammiert.
Soviel aus meiner Sicht - klar, solange meine Ansprüche nicht groß sind, ist das völlig ausreichend, zumal nach dem Krieg und bis in die 60er entwickelten sich beide Staaten zumindest ähnlich - abgesehen von den ungleichen Startbedingungen - im Westen Marshalplan, im Osten Demontage!!! Aber im Laufe der Zeit zeigte sich eben, dass auf der einen Seite "das Wirtschaftswunder regierte" und auf der anderen der Mangel (die Planwirtschaft) - das endete eben im Staatsbankrott - der wäre bei rechtzeitiger Einsicht der Verantwortlichen vermeidbar gewesen!!
Um was es aber grundsätzlich (aus meiner Sicht) geht - was macht die permanente Angst vor Bespitzelung, Auffallen etc. mit den Personen - das genau ist die Unfreiheit, die am Ende Personen bricht und zu emotionalen Krüppeln machen kann. Kein Vorwurf an die Personen, die im jeweiligen Staat lebten, aber schon an die, die die Leitlinien bestimmt haben - und die haben eben in vielen Fällen "einfach die Kittelfarbe gewechselt" - Angefangen von Gehlen über Kiesinger bis zu NS-Größen, die in der DDR das ganz große Rad gedreht haben - ganz klar, auf beiden Seiten!!!
Ich habe die Bonner Demos live erlebt und hatte zu der Zeit eine Briefbekanntschaft "auf der anderen Seite" - was in Bonn möglich war, ging in der DDR nur, wenn der Obrigkeit die Richtung gefiel. Die Tiraden eines F.J. Stauß im Bundestag in diesem Zusammenhang sind mir noch in den Ohren und trotzdem kamen 100Tsd zur Demo in den Hofgarten und niemand wurde festgenommen, nur weil er teilnahm.
Wenn ich beschrieben habe, welche Dinge das Leben meiner Frau bestimmt haben, dann macht wohl ein Ausspruch aus ihrer Kindheit im Kindergarten das deutlich - es ging um den Berufswunsch und der war Rentner - weil die in den Westen reisen durften und weniger Beschränkungen hatten. Die Reaktion darauf zu Hause - lass das, wir bekommen Schwierigkeiten!! - wie sagt man doch - Kindermund tut Wahrheit kund - das war aber nicht linientreu und damit unerwünscht.
Nochmals - auch im Westen war nicht alles toll, besonder die ungleichen Möglichkeiten, abhängig vom Einkommen oder Bildung der Eltern waren auffällig, aber wer "wollte", der konnte viel erreichen und - wir durften frei denken und reden - völlig egal, ob das Lehrern oder sonst wem passte.
"Brüder und Schwestern im Osten" und "Unrechtsstaat" sind in meinen Augen keineswegs Widersprüche - hier ist ganz klar zwischen den vielen im "Volk" und denen, die die Richtlinien bestimmen zu unterscheiden - übrigens genau so wie in den 30ern - lange nicht alle Deutschen waren überzeugte Nazis, auch wenn viele Mitläufer waren!!
Insofern den Bürgern im Allgemeinen ist nur selten ein Vorwurf zu machen, das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eben den Stasi und seine Informanten überall gab - im Westen sicher nichts vergleichbares - oft Auslöser von Angst, Schrecken und Unrecht. Eine Marktwirtschaft sich meist robuster und erfolgreicher entwickelt als eine Planwirtschaft und diese beiden Staaten eine tödliche Grenze teilte. Die Aussage von Margot Honecker - es muss ja niemand die Staatsgrenze verletzen - beschreibt die "oben" vorherschende Einstellung perfekt!!
Zum guten Schluss - Reisen im allgemeinen - auch im Westen sind Kinder und Jugendliche zu "Vorzugsbedingungen" verreist - ich war Pfadfinder und in den Ferien oft im Europa unterwegs - Frankreich und England waren große Zeltlager mit internationalen Begegnungen - vorher Kinder-Verschickung, organisiert von der Caritas - auch im Europäischen Ausland - keineswegs ein Privileg des Osten zu "ganz kleinen Preisen" so dass auch Kinder aus finanzschwachen Familien daran teilnehmen konnten.
Ich denke es ist müßig hier werten zu wollen - aus meiner Sicht ist Fakt, dass Freiheit und Rechtsstaat im Westen anders verstanden wurden (und werden??). Die "Grenze im Kopf" kann nur durch offenen und vorurteilsfreien Austausch beseitigt werden. Da hilft es nicht aufzurechnen oder im Rückblick zu vergleichen. So wie wir als Kinder bei den Pfadfindern mit den "Erzfeinden" in Frankreich unsere Ferien verbracht haben oder im Osten Kontakte zur Sowjetunion bestanden und wir uns darüber kennen gelernt haben, so sollte es zwischen denkenden Individuen möglich sein, offen aufeinander zuzugehen und sich die Hand zu reichen - unabhängig von der Geschichte!!
In diesem Sinne - Frieden und Verständigung!!
Compu